Der Zauber der Heide: Wer ihn noch nicht selbst erlebt hat, kennt ihn wahrscheinlich aus Gedichten, Filmen oder wenigstens von schönen Fotos. Der Eindruck unberührter Landschaften bestimmt zumeist unser Bild von der Heidelandschaft. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Die Entstehung der norddeutschen Heidegebiete ist eine Geschichte des extremen Raubbaus des Menschen an der Natur. Selten entsteht daraus Gutes. Doch die Heide, wie wir sie heute kennen, ist ein Beispiel dafür, dass aus Zerstörung auch Schönes erwachsen kann.
Ein Blick zurück: Bis Ende des 19. Jahrhunderts war der Landstrich zwischen Celle und Lüneburg extrem dünn besiedelt. Wer hier lebte, existierte unter harten Bedingungen. Heute geben Museumsdörfer Einblicke in eine Epoche, in der Mensch und Tier oft unter einem Dach zusammenwohnten und auf Gedeih und Verderb voneinander abhängig waren. Garantiert hatte damals niemand Zeit, mit Muße durch die Natur zu wandern. Die Not zu überleben bestimmte das Handeln. Nur durch ausreichende Ernte von Feldfrüchten und Futter für Nutztiere konnten die langen Wintermonate überstanden werden. Acker- und Weidehaltung waren daher existentiell wichtig. Der karge Boden gab dafür nicht viel her. Auch brauchte man Holz für den Bau von Behausungen und zur Befeuerung der heimischen Herde. Deshalb wurden riesige Waldgebiete sukzessive gerodet und in Weide- und Feldflächen umgewandelt.
Oft blieb nur der ohnehin nährstoffarme Sandboden zurück, der zusehends weiter verarmte. Allerdings entstand so ein natürliches Keimbett für eine neue, nutzbare Pflanze: die Besenheide. Diese breitete sich schnell aus und tat gute Dienste: Mit dem Reisig der Heidepflanzen wurden Dächer gedeckt, Öfen befeuert und Ställe eingestreut. Die mit reichlich Dung angereicherte Streu bot wiederum hervorragenden Nährstoff für Feldflächen. Auch die Moore wurden genutzt: Der Handel mit getrocknetem Torfstich war sozusagen ein Exportschlager für angrenzende Gebiete.
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren riesige Landstriche aus Heide und Moor typisch für den Norden. Danach begann das Zeitalter der intensiven Landwirtschaft. Nun standen mehr und mehr Ertragssteigerung und Gewinn im Vordergrund des Interesses. Im Zuge dessen wurden auf einstmaligen Heideflächen großräumig Wälder aufgeforstet sowie Acker- und Wiesenflächen mittels neu entwickelter, künstlicher Dünger kultiviert. Die meisten der reinen Heidegebiete blieben dabei auf der Strecke. Auch legte man zur Grünlandgewinnung großflächig Moore trocken und kanalisierte Flussläufe, um die Bewässerung der Felder zu gewährleisten.
Der bekannte Heidedichter Hermann Löns war der Erste, der diesen Wandel in Worte fasste: „Die Naturverhunzung arbeitete en gros, der Naturschutz en detail.“ Vielleicht muss man es nicht so hart ausdrücken. Doch aus gutem Grund bemüht man sich heute Stück für Stück, die liebgewonnene Heidelandschaft zu erhalten und dem Fortschritt zu trotzen. So gelingt es durch Naturschutzmaßnahmen „en detail“ verbliebene Reste der Heide-Kulturlandschaft zu erhalten und die eingebetteten Feuchtgebiete und Flussläufe zu renaturieren. Wichtige Maßnahmen, die zudem auch seltenen Tier- und Pflanzenarten das Überleben sichern.